Samstag, 3. November 2012

Leben im digitalen Zeitalter - Veränderungen im Zeitraffer


Im Zentrum des Buches „Generation Internet“ von John Palfrey und Urs Gasser, welches in der Originalfassung „Born Digital“ heißt, stehen die Jugendlichen und Heranwachsenden, welche üblicherweise als „Digital Natives“ bezeichnet werden. Die Autoren beschreiben recht anschaulich, wie diese „New Generation“ lebt, denkt und handelt, wie sie lernt und sich mit anderen austauscht. Unterschiedliche Zugänge zeigen den Umgang dieser Zielgruppe mit Identität, Privatsphäre, Sicherheit und vielen anderen Gebieten des täglichen Lebens.

Howard Gardner, Harvard Professor im Bereich Psychologie und Erziehungswissenschaft betont die Wichtigkeit dieses Buches im Verständnis und Umgang mit jungen Erwachsenen, und meint dazu „Jeder Versuch zu verstehen, was es bedeutet, in der digitalen Welt aufzuwachsen und sein Leben darin zu verbringen, muss ab heute mit der Lektüre dieses herausragenden Buches beginnen.“ (Palfrey & Gasser, 2008)

Aus der Sichtweise eines Pädagogen erscheint mir das Kapitel „Lernen“ als besonders interessant und grundlegend für das Verständnis für diese neue Art der  Wissensaneignung. Besonder in den letzten 30 Jahren hat sich der Begriff des „Lernens“ grundlegend geändert, und moderne Schulen und Universitäten haben erkannt, dass gezielte Investition in eine gute technische Infrastruktur wesentlich für den Erfolg von Schule und Bildung beiträgt.  Neben klassischem Unterricht, welcher nach wie vor seine absolute Berechtigung hat, muss aber auch die Öffnung zu neuen Lernmethoden bzw. die Auseinandersetzung mit der Generation der „Digital Natives“ stattfinden bzw. zugelassen werden. Schule ist Teil der Gesellschaft und bereitet auf Berufswelt und Studium vor – ein Vorenthalten digitaler Medien und Zugänge wäre sicher nicht im Sinn einer modernen Ausbildung. Deshalb erscheint es als wesentlich, das neue Lernverhalten der Jugendlichen gezielt in Unterricht und Schulalltag einzubauen – Voraussetzung dafür ist eine ständige Weiterentwicklung der Lehrkräfte selbst – angepasst an die Anforderungen der modernen Gesellschaft.
„Damit Universitäten sich an die Gewohnheiten von Digital Natives und ihre Art der Informationsverarbeitung anpassen können, müssen Lehrkräfte akzeptieren, dass Lernvorgänge sich seit Beginn des digitalen Zeitalters rapide verändert haben und weiter verändern werden.“  (Palfrey & Gasser, S. 289, 2008)

Für Digitale Natives bedeutet Recherche ein Suchen in Google, ein Durchforsten von verschiedenen Foren und Communities – Zeitungen werden in Form von Onlinenews am Handy oder Laptop gelesen und Vernetzung mit anderen findet über unterschiedlichste Kanäle statt.
Kritisch betrachtet soll hier festgestellt werden, wie sich diese Änderung des Lernverhaltens und der Informationsbeschaffung auf die Zukunft der Generation Internet auswirkt. „Behalten Kids die Informationen, die sie online beziehen nachhaltiger oder weniger nachhaltig im Kopf als Material, das sie in gedruckter Form studiert haben?“  (Palfrey & Gasser, 2008)

Eine vor kurzem in Deutschland erschienene repräsentative Studie "Digitale Angebote - neue Anreize für das Vorlesen?" der Wochenzeitung DIE ZEIT, der Stiftung Lesen und der Deutschen Bahn belegt, dass gerade digitale Medien zu einer Steigerung des Lesens in Familien führt, wo „Lesen bzw. das Vorlesen“ einen eher geringeren Stellenwert hatte.
„Digitale Vorleseangebote bieten neue Möglichkeiten, Familien zu erreichen, bei denen das Lesen und Vorlesen einen geringeren Stellenwert hat.“  (TeachersNews, 2012)
Hervorzuheben sei laut Autoren der Studie aber auch die Tatsache: "Diese Elterngeneration integriert die neuen Technologien ganz selbstverständlich in den Alltag mit ihren Kindern. Und mithilfe von Bilder- und Kinderbuch-Apps können sie heute in ganz anderen Situationen und an anderen Orten vorlesen als bisher", erläutert Dr. Rüdiger Grube. "Kurz gesagt: Bücher sind fürs Kuscheln, Apps für die Bahnfahrt oder das Wartezimmer."  (TeachersNews, 2012)

Hier schließt sich auch der Kreis zum Buch, denn die Annahme, dass Digitale Natives nur unreflektiert Informationen aus dem Netz übernehmen und lesen stimmt nur teilweise. Studien zu Folge hat sich die Art und Weisen wie Jugendliche Informationen aufnehmen grundlegend geändert – „sie interagieren konstruktiv mit Informationen“  (Palfrey & Gasser, S. 291, 2008) Sie schnappen den ganzen Tag über Informationen auf, verarbeiten sie und im Gegensatz zu früheren Generationen, werden diese auch aktiv auf deren Blogs und sozialen Medien weitergegeben – Web 2.0 als Interaktion.

„Digitale Natives sind also sehr versiert, wenn es um das Sammeln von Informationen geht. Die Menschen, denen unsere Besorgnis gelten sollte, sind diejenigen, die zwar im digitalen Zeitalter aufwachsen, aber nicht über ausgeklügelte Sammel – und Verarbeitungstechniken verfügen oder nicht gelernt haben, auf der Basis ihres Wissens selbst kreativ zu werden und es mit anderen auszutauschen.“  (Palfrey & Gasser, S. 291, 2008)
Besonderes Augenmerk soll hier auf die Aufgabe der Schule und verschiedenster Bildungseinrichtungen gelegt werden, denn hier sollte der Zugang zu dieser Art der Informationsverarbeitung gelegt werden. Ein Zurechtfinden in der unüberschaubaren Informationsflut und ein objektives Einschätzen vom Wert einer Information muss eine Säule modernen Unterrichts sein. Als Voraussetzung für den richtigen Umgang mit Digitale Natives ist aber eine eigenen Auseinandersetzung und Reflexion der eigenen Lernsituation nötig.
Wo benötige ich selbst Hilfe? Was bereitet mir Sorge bzw. wo finde ich mich nicht zurecht? Welche digitalen Kompetenzen muss ich mir aneignen, um in dieser raschen Entwicklung Schritt halten zu können?
Die Faktoren Zeit und Wissen erscheinen dabei als wesentlich. Fortbildung und Weiterbildung, gerade im Bereich der sich rasch ändernden digitalen Welt, sind dabei als zielführend für die Bewältigung neuer Bildungsaufgaben anzusehen…

Literatur:
Palfrey, J., & Gasser, U. (2008). Generation Internet, Die Digital Natives: Wie sie leben - Was sie denken - Wie sie arbeiten. München: Carl Hanser Verlag.

QR Code zum Buch: 

TeachersNews. (30. Oktober 2012). http://www.teachersnews.net. Abgerufen am 3. November 2012 von http://www.teachersnews.net/artikel/nachrichten/forschung/027598.php

Passender Artikel aus der NY-Times:
http://www.nytimes.com/2012/11/01/education/technology-is-changing-how-students-learn-teachers-say.html?pagewanted=1&_r=1&partner=rss&emc=rss

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